Regine Herbrik

Regine

Vortrag:

  

  

  

  

  

  

  www.leuphana.de/regine-herbrik


Prof. Dr. Regine Herbrik ist Juniorprofessorin für qualitative und kulturwissenschaftliche Methoden an der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der kommunikativen Konstruktion imaginärer Welten, beispielsweise im Spiel und der Religion. Derzeit beforscht sie normative Konzepte mittlerer Reichweite, wie Liebe und Nachhaltigkeit, die sie als wirkmächtige, normative, soziale Fiktionen betrachtet.

  

  

  

Die Realisierung des Imaginären und die Irrealisierung des Realen im BDSM als spielender FiktionRegine-book

Play Space Vortrag

Vieles, was sich zwischen Menschen ereignet, bleibt ihnen erstaunlich wenig anschaulich: Emotionen, Vorstellungen, Träume, Machtkonstellationen sind eng mit dem Imaginären verknüpft und lassen sich daher nur mittels fiktionalisierender, künstlerisch-objektivierender oder spielender Praktiken mittelbar zugänglich machen. Doch finden wir in den anthropologischen Grundkonstanten eine Sehnsucht nach – ja fast einen Zwang zur – Expressivität (vgl. Plessner), der uns auferlegt, das Unsichtbare sichtbar, das Abstrakte erfahrbar und das Unsagbare kommunizierbar machen zu wollen.

Im Vortrag werde ich zeigen, dass und wie die Präsent- und damit sinnlich Erfahrbarmachung des Imaginären durch Gegenstände, Symbole, Handlungen, Kleidung, Sprache und die Positionierung von Körpern im Raum einen grundlegenden Baustein für BDSM als soziale Situation und Praxis darstellt. So wird beispielsweise ein abstraktes Konzept, wie Macht, körperlich erfahrbar durch die Ohnmacht der Fixierung, erhält sichtbare Symbole in den Fesseln und manifestiert sich akustisch in verbalisierten Befehlen. Gleichzeitig gilt es zu zeigen, wie im Gegenzug Reales durch die spielende, fiktionalisierende Bezugnahme irrealisiert und damit neu verhandel- und interpretierbar wird. Emotionen und Affekte (wie Einsamkeit, Wut oder Angst) werden in ihrer Übersteigerung und künstlichen Evokation auf eine fiktionalisierende Weise präsent gemacht, die eine gleichzeitig intensive und distanzierte Erfahrung ermöglicht.

Die strukturellen Voraussetzungen für die produktive Schizophrenie von Realisierung und Irrealisierung stellt der Handlungs- und Erkenntnismodus „Spiel“ zur Verfügung. Im Spiel wird eine erstaunliche Bewusstseinsleistung erbracht. Als Spielende halten wir den Rahmen ‚hier wird ‚nur‘ gespielt‘ bewusst und klammern ihn gleichzeitig ein, um im Spiel aufzugehen, uns an ihm zu erfreuen und ein guter Spieler, eine gute Spielerin zu sein (vgl. Baatz 1993). Das Spiel ist daher kein bloßes und ungefährliches „Als-ob“, sondern vermittelt ganz unspektakulär mehrere Wirklichkeiten miteinander und hält ihre Ambivalenzen aus anstatt sie interpretatorisch zu nivellieren. Es ist insofern gut geeignet, den Prozessen der Präsentierung und Irrealisierung – auch im BDSM – als Rahmen zu dienen. Die Limitierungen, die es durch seine (Spiel-)Regeln einführt, wirken zwar begrenzend, gleichzeitig stiften sie im Raum zwischen den Grenzen jedoch Freiheit, denn zum Spiel gehören sowohl „ludus“ (Regelhaftigkeit) als auch „paidia“ (Regel- und Grenzüberschreitung) (vgl. Caillois).

 

Photo: © unbekannt